- Kurze Rezension @ bibliothèque des vampires
[ehem. «http://www.bibliotheque-vampires.de/»]
"Es ist nicht immer alles, wie es scheint. Es
wird Zeit, die Vergangenheit hinter dir zu lassen." (S. 228 f.)
In diesem Roman findet sich eine (Neu-)Interpretation der
Lilith-Legende, die diese nicht vollständig neu erfindet und doch, bei
aller künstlerischen Freiheit in das heutige Jetzt transferiert.
Wesentlichster Unterschied zur überlieferten Legende (egal wie gut sie
den Konsumierenden auch im Einzelnen bekannt sein sollte) ist das Alter
der Urmutter der Vampire: Während die jüdische Legende von Adams erster
Frau erzählt, stammt hier Lilith aus dem Babylon etwa 500 v.u.Z. Sie ist
eine junge jüdische Frau, die gegen ihren Willen als Mittel zum Zweck,
Ware und Eigentum der Männer, selbst aus der eigenen Familie, benutzt
bzw. missbraucht wird. Als sie ihrer „Ehe“ zu entfliehen versucht,
opfert sie ihr Vater dem Blutgott Asmodeus, der sie als seine Gefährtin
zu sich nimmt. Den folgenden Blut- und Machtrausch der Lilith und ihrer
Dämonen stoppt erst eine alte Frau und Lilith rettet ihre Seele durch
einen Fluch, der sich 2013 in Lily erfüllt. Nicht ganz unwesentlich für die darauf folgende Geschichte ist das
Zugeständnis der Autorin, dass auch Vampire sehr wohl im Laufe der Zeit
in der Lage zu Veränderungen und persönlichen Weiterentwicklungen sind;
ein Umstand, den viele andere Autoren den Blutsaugern gern auch mal
völlig absprechen. Sich daraus ergebende und nicht immer für alle
Beteiligten erfreulichen Begleiterscheinungen spiegeln das Bild der
heutigen Zeit treffend wieder und lassen auch den Vampiren
„menschliches“ Potential. Natürlich kommt auch die Liebe in diesem Roman nicht zu kurz. Und auch
hier spiegelt sich die heutige Zeit und wendet sich folgerichtig von der
romantisch-verklärten Sicht der „einen und ewigen Liebe“ ab.
„Jede Generation hat den Vampir, den sie verdient“ - mit diesem Werk
dürfte dieser Spruch ein weiteres Mal unter Beweis gestellt und der
Vampir in der europäischen Wirklichkeit des beginnenden 21. Jahrhunderts
angekommen sein, ohne dabei alte Legenden und bisherige Entwicklungen
des künstlerischen Vampirmythos der Lächerlichkeit preiszugeben. Diese
Geschichte hätte gern auch tausend Seiten oder mehrere Bände umfassen
können; doch, trotz aller Kürze (238 Seiten): mir persönlich gefällt das
Konzept eines (1) in sich abgeschlossenen und stimmigen Romans deutlich
besser, als die zwanghafte Neigung zur Serie der letzten Jahre.
|
|